Da ich selbst vor fast acht Jahren alleinerziehend wurde, habe ich mir kürzlich das Buch von Christine Finke zugelegt, um die Sicht einer anderen betroffenen Mutter kennen zu lernen. Die Jahre, in denen ich mit meinen beiden Söhnen allein lebte, nutzte ich u. a. dazu, mir Gedanken zu dieser Gesellschaft zu machen und auch Literatur zu dem Thema zu lesen. Das Ergebnis ist, dass ich zur Patriarchatskritik stieß und inzwischen davon überzeugt bin, dass das Patriarchat die Ursache aller Probleme, die die Menschheit heute mit sich und der Umwelt hat, ist. Insbesondere die Mütter leiden darunter, und dafür bin nicht nur ich selbst, sondern auch Christine Finke ein Beispiel unter vielen.
Dass sämtliche Hintergründe rund um das Patriarchat ein dermaßen riesiges Fass sind, dass die Ausmaße kaum zu ermessen sind, wurde mir im Laufe der letzten Jahre immer klarer und bewusster. Ich weiß noch, wie ich die Bände von Gerhard Bott, die Bücher und den Blog von Kirsten Armbruster und später die Bücher von Gabriele Uhlmann und die Artikel von Stephanie Gogolin las und ich immer deutlicher sah, was für ein Abgrund sich da auftat. In mir machte sich eine grenzenlose Erschütterung und Verzweiflung breit, denn ich begriff, dass wir Mütter und Frauen gar keine Chance haben, aus dieser Gesellschaft heraus zu kommen, wenn sie sich nicht grundlegend ändert. Wir sind ausnahmslos alle bis in die Knochen mit dem Patriarchat verfilzt und verwoben, über Epigenetik und kulturelle Ideologien, wie in einem unsichtbaren Spinnennetz, das wir nicht bemerken, oder vielleicht noch treffender beschrieben, wie in einer Matrix gefangen, die uns eine heile Welt vorgaukelt. Jeder Frau, die ich kenne und dieselben Erkenntnisse hatte wie ich und begriffen hat, ging es dabei ähnlich. Ja, wir haben die rote Pille geschluckt! Und das Aufwachen danach war alles andere als schön.
Von dem Buch von Christine Finke habe ich keine neuen Erkenntnisse erwartet, denn das, was ich bisher von ihr las auf Twitter oder auf ihrem Blog, war für mich längst überholt, bekannt und nichts neues. Ich merkte, dass sie das Ausmaß des Patriarchats, dessen Entstehung und Auswirkung und auch den Zusammenhang mit der frühzeitlichen Menschheitsgeschichte (noch!) nicht erfasst hatte. Dennoch weiß ich, dass sie eine intelligente Frau und gute Schreiberin ist und habe es auch nicht zuletzt deshalb gekauft, um ein Zeichen der Solidarität mit allen alleinerziehenden Müttern zu setzen (das Thema Solidarität unter Frauen und Müttern habe ich später in diesem Artikel aufgegriffen). Ob es gesehen wird, bleibt dahin gestellt, denn ich weiß, dass ich wegen meiner Ansichten bei vielen gerade unter den jüngeren bloggenden Müttern nicht beliebt bin.
Das Buch von Christine Finke ist ein Erfahrungsbericht, und zwar ein erschütternder. Ich kann förmlich die Erschöpfung, die Wut, die Trauer, die Verzweiflung und die Existenzangst spüren, die aus ihren Zeilen spricht. Verglichen mit meiner Situation ist und war ihre deutlich prekärer: Sie hat drei Kinder, ich nur zwei. Ihre waren bei der Trennung deutlich jünger, das jüngste sogar noch ein Baby. Meine beiden Söhne waren 13 und 15, als ich mich von meinem Mann trennte und mit ihnen in eine kleinere Wohnung zog. Mein Ex zahlte von Anfang an Unterhalt bis heute, so dass ich nie finanziell wirklich Not litt. Auch war das Umgangsmodell bei mir der Klassiker „Wochenendpapa“ und lief einigermaßen reibungslos ab. Doch ein Spaziergang war es auch für mich nicht. Ich versuchte es mit Selbstständigkeit, scheiterte aber daran. Dann hangelte ich mich von Arbeitslosigkeit über Krankheit zu Arbeitslosigkeit in drei prekäre Beschäftigungsverhältnisse, von denen das letzte am vielversprechendsten war und urplötzlich noch in der Probezeit endete. Und nebenher all die zusätzlichen Belastungen mit Schule, Haushalt etc, die Christine Finke hinreichend in ihrem Buch beschreibt. Nun bin ich wieder arbeitslos, habe aber auch schon wieder etwas in Aussicht, ganz knapp vor Harz IV. Mit 55 Jahren halte ich das allmählich für eine Zumutung, denn ich wünsche mir nichts sehnlicher als endlich meine Ruhe, um dem nachgehen zu können, wofür ich leben will und was mich interessiert.
Anders als Christine Finke bin ich aber der Meinung, dass politisch gesehen keine Lösung für uns Mütter in Sicht ist, so lange sich die Menschen in dieser patriarchalen, hochzivilisierten, fortschrittlichen Gesellschaft nicht des Ursprungs der Natur der Spezies Mensch bewusst sind. Und das können sie auch gar nicht, weil ihnen erstens die Erfahrung und zweitens das Wissen fehlt. Statt dessen wird ihnen mit Gender-Study-Ideologien das Gehirn vernebelt. Dabei ist das Wissen um die matrifokale Soziologie längst da. Es wird nur nicht gelehrt, weder an den Schulen noch an den Universitäten, sondern ignoriert bis unterdrückt, denn es birgt einfach zu viel Sprengstoff für diese Gesellschaft. Die Tatsache, dass die Institution Ehe und die Paarfamilie mit Kind der Kern des Patriarchats ist, haben nur wenige erkannt und wird deshalb nicht (von der Politik schon gar nicht) in Frage gestellt. Das BMFSFJ hält die Fahne der Ehe und Familie hoch. Auch Christine Finke tut das, obwohl sie von dem goldenen Ehe-Käfig mit nachfolgendem Alleinerziehenden-Knast mit Freigang zu Kita-Zeiten schreibt. Nach wie vor schreibt sie von Kinderarmut und übersieht dabei, dass es sich vornehmlich um Mütterarmut handelt. Dabei ist sie selbst das beste lebende Beispiel dafür.
An einer Stelle beschreibt sie den Schmutz in ihrer Wohnung. Danach überkam sie ein Putzanfall. Sie schreibt dazu: „Wer den Schmutz sieht und benennt, kann ihn nicht mehr übersehen.“
Genau das ist der Punkt.